Jazz ’n‘ More – Februar 2015
Das Album Scope bildet den Abschluss einer auf Tonus Music erscheinenden Trilogie, die Ania Losingers Xala lll gewidmet ist – Ein Atelierbesuch. Von Georg Modestin
Im Rücken wölbt sich der beim Besuch anfangs Dezember noch schneefreie Jura, der Blick durch die breite Fensterfront gleitet über das nasse Mittelland. In dieser ruralen Gegend entsteht eine moderne, zeitgenössische Musik, die so gar nicht in die Abgeschiedenheit passen will, die durch einen sporadisch fahrenden Überlandbus nur unregelmässig erschlossen wird. Und doch steht im oberaargauischen Rumisberg ein Haus, das bei seinem Bau in den Jahren 2012 2013 ganz auf die Bedürfnisse der Musik zugeschnitten worden ist. Seinen Mittelpunkt bildet das Tonatelier, in dem eine Xala – ein Bodenxylophon, das die ausgebildete Flamencotänzerin Ania Losinger mit ihren Schuhen und mannshohen Holzstäben “bearbeitet” – die Perkussionsinstrumente von Mats Eser und ein Piano stehen. Momentan bespielt die Künstlerin das Xala III, eine transportierbare Weiterentwicklung der Urxala, auf dem die Holzklangstäbe um Aluminiumplatten ergänzt sind. Um das Atelier ist der Rest des Hauses gruppiert, ein Haus, das so in der Stadt nicht hätte entstehen können. Das Atelier hat eine Grundfläche von 56 Ouadratmetern bei einer Höhe von fünf Metern, zur Vermeidung störender Echos sind die Seitenwände abgewinkelt. In diesem Atelier arbeiten die in Bern geborene Ania Losinger und der Zürcher Mats Eser; im Haus drumherum leben sie.
Im Atelier ist seit Dezember 2013 auch die auf dem Label Tonus Music erscheinende Xala III-Trilogie “Fú”, “Shanghai Patterns” und “Scope” aufgenommen worden, wobei die Entstehungsgeschichte der einzelnen Alben weiter zurückreicht: Die Kompositionsarbeiten zu “Fú” gehen auf das Jahr 2010 zurück, jene zu “Shanghai Patterns” auf das Jahr 2011. Das Programm “Fú – getanzte Klangskulpturen” wurde 2010 an der Weltausstellung in Shanghai im spanischen Pavillon uraufgeführt. im Jahr darauf wurden die in der chinesischen Metropole aufgenommenen Eindrücke zu den “Shanghai Patterns” verarbeitet.
Diese nehmen auf der CD die Form eines knapp einstündigen ununterbrochenen Klangflusses an, der – im Verlauf der Abspieldauer mehrmals gebrochen – vielfältige Impressionen auferstehen lässt. Durch den Fender Rhodes Einsatz auf “Scope” verändert sich die klangliche Qualität der Musik: Sie hört sich weniger licht, weniger tänzelnd an. dafür dunkler, schwerer, grooviger. Der metaphorisch als Tag angelegten (und pragmatisch auf eine Stunde verdichteten) Reise durch die Millionenstadt Shanghai folgt auf “Scope” wieder eine Abfolge einzelner Nummern mit eigenem Charakter.
Bis zur CD Aufnahme durchlaufen die Stücke, für die Ania Losinger und Mals Eser gemeinsam verantwortlich zeichnen, einen längeren Prozess: “Bei uns ist es praktisch immer so”, erklärt Ania Losinger, “dass wir für eine Live Performance komponieren. Dabei ist uns der Tanz, das visuelle Element, sehr wichtig. Wenn uns ein Stück gefällt, komponieren wir es für die CD um. Das Material verändert sich stark, da infolge des Wegfalls des visuellen Aspekts die Musik allein tragen muss.” Damit ist die Entwicklung aber nicht zu Ende: “Nach der Aufnahme gibt es eine neue Live-Performance, für die das Stück wieder umgeschrieben wird. Um das visuelle Element erneut zu integrieren. Durch diesen Prozess verändert sich die Musik z.T. recht stark.”
Die drei Alben der in Kürze komplett vorliegenden Trilogie sind gemäss den Ausführungen von Mats Eser durch wiederkehrende rhythmische Patterns miteinander verknüpft, auch wenn dies nicht sogleich auffällt. “Dabei”. so Eser weiter, “liegen den CDs drei völlig unterschiedliche Live Performances zugrunde, die wir zwischen 2010 und letztem Jahr erarbeitet haben.” Diese Arbeit sollte auf CD dokumentiert werden. Ein weiteres verbindendes Element, ergänzt Ania Losinger, ist der Umstand, dass sie auf allen drei Produktionen Xala III spielt, während Mats Eser sein Instrumentarium variiert und zuletzt, auf “Scope”, auf die Fender Rhodes zurückgreift: “Es ist verblüffend, wie sich das alles mit der Xala III vermischt, das nichtsdestoweniger als klanglich durchgehende Komponente erkennbar bleibt.”
Auf “Scope“ wird mit dem China-Bezug der ersten beiden Teile gebrochen, auch wenn das musikalische Vokabular eine gewisse Konstanz aufweist. Klanglich findet mit den Fender Rhodes ein Kulturwechsel statt, “weg vom Fernen Osten”, so Ania Losinger, “und hin zu der Musik, mit der wir aufgewachsen sind”.
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